Ende letzten Jahres, bekam ich ein aufregendes Paket zugestellt – es war die Leihgabe von Mehrdad Samak-Abedi und enthielt seine Rolleiflex T aus dem Jahr 1959 (wenn ich das richtig anhand der Seriennummer recherchiert habe) samt Zubehör. Auf das Zubehör gehe ich später noch etwas näher ein.
Seine Bitte war, einen Erfahrungsbericht zu verfassen und jetzt – nach fast 2 Monaten mit der Kamera und diversen verschossenen Filmen, möchte ich ein bisschen was dazu schreiben und euch später auch ein paar Ergebnisse zeigen.
Vorneweg einmal der erste Eindruck nach dem Öffnen des Pakets und Auspackens der Kamera: Ich LIEBE die Verarbeitung! Alles fühlt sich grundsolide an – die Regler, Schalter, Knebel, Kurbel – einfach alles an der Kamera läuft super sanft und es macht einfach Spaß dieses handwerkliche Meisterwerk zu bedienen. Man erkennt sofort, mit welcher Genialität diese Kamera konstruiert wurde. Sie ist wie ein Schweizer Uhrwerk – alles greift total spannend ineinander…der Mechanismus des “Hüftsuchers” (keine Ahnung ob das im deutschen so heißt, aber man sieht anders als bei deiner SLR von oben auf die Kamera um seinen Bildausschnitt festzulegen), der Vorspulmechanismus, der Blenden- und Auslösezeiteinsteller…einfach nur schön. Und das bei einer so kleinen Bauform!
Mehrdad hat sich die Mühe gemacht, und mir einige Videos aufgenommen, in denen er die Bedienung der Kamera erklärt und wie man den Film einlegt und das Zubehör verwendet. Diese waren super hilfreich, denn es war der erste Umgang mit einer Mittelformatkamera und vor allem einer TLR (Twin-Lens-Reflex). Er hat mir auch einen Kodak Portra 400 mitgeschickt, den ich für ihn verschießen sollte.
Bestens gewappnet, lud ich den Film in die Kamera – was nach der Erklärung im Video kein Problem darstellte.
Nun war es Zeit, die Kamera das erste Mal zu benutzen. Am Neujahrsmorgen war ich auf dem Heimweg von Freunden, mit denen ich den Silvesterabend verbracht hatte, und es war ein wunderschöner, klarer, kalter Morgen hier in der Umgebung von München. Also entschloss ich, nach Hause zu fahren und die Kamera einzupacken um an einen nicht weit von mir gelegenen See zu fahren und dort Bilder vom gefrorenen Raureif zu machen.
Ich empfehle jedem, der so eine Kamera das erste Mal benutzt, ein Stativ zu verwenden und sich Zeit zu nehmen. Mit der Rolleiflex zu fotografieren, ist etwas anders als man das vielleicht von seiner digitalen Spiegelreflex Kamera gewöhnt ist. Es gibt hier keinen Autofokus, keinen Belichtungsmesser, der Sucher ist erstmal gewöhnungsbedürftig weil er das Bild horizontal spiegelverkehrt darstellt und man hat eben nicht unendlich viele Versuche, um ein gutes Bild zu schießen sondern einen Film der im Format 6×6 cm nur 12 Aufnahmen hergibt. Alles wird also total entschleunigt – und das ist mein definitiv positivster Eindruck vom Fotografieren selber (abgesehen von dem technischen Aspekt). Man ist gezwungen, sich Zeit zu nehmen. Du musst dir überlegen, was du fotografierst. Du musst dir im Kopf schon das finale Bild vorstellen und den Ausschnitt einstellen. Du musst einen externen Lichtmesser verwenden – es sei denn du bist so sicher im “Lesen” von Licht, das du die Einstellungen selbst herleitest (was ich nicht bin). Die Kamera hat ein 75mm Carl Zeiss Objektiv – das entspricht ungefähr 48-50mm bei einer Kleinbildkamera. Die schnellste Auslösezeit liegt bei 1/500 stel Sekunde – meine digitale Kamera kann bis zu 1/8000 stel Sekunde auslösen. Dies muss man bedenken, wenn man offenblendig fotografieren will.
Ich habe keinen externen Belichtungsmesser und nutze eine App auf dem Iphone. Auch hier gibt es viele verschiedene – meine heißt Photometer und tut was sie soll. Für 99 Cent find ich sie durchaus erschwinglich.
MEIN FAZIT
Nachdem ich einen Farbfilm und einen Schwarz-Weiss-Film verschossen und die Ergebnisse gesehen habe, bin ich definitiv mit dem Mittelformat Virus infiziert. Ich liebe den Charme und die Tonalität von analogem Film und der Umgang mit der Kamera ist – wenn auch anfangs gewöhnungsbedürftig – recht schnell begreifbar. Die Herangehensweise ans Fotografieren ist definitiv eine andere als bei der digitalen Fotografie – aber mir gefällt die Langsamkeit dieses Prozesses. Und die Entwicklung von schwarz-weiß Bildern in Eigenregie, macht daraus einen fast meditativen Prozess.
Ich werde mir dieses Jahr definitiv auch so eine Kamera zulegen und diese Art der Fotografie weiter verfolgen. Momentan sind die Ergebnisse noch Testläufe – aber ich freue mich schon auf die ersten konzeptionellen Bilder!
Mehrdad wir in Kürze einen Artikel auf www.qimago.de verfassen, in dem er den Entwicklungsprozess des Portra Farbfilms dokumentiert und ein Feedback zum JOBO Colorprocessor CPE-3 abgibt. Dort werden einige meiner Bilder veröffentlicht. Ich bin auch schon gespannt, was er zu dem Gerät zu sagen hat!