Heute möchte ich mich ein wenig mit dem Thema Filmentwicklung auseinandersetzen. Als kurze Einleitung: ich selbst fotografiere hauptsächlich digital, habe aber angefangen, auch analog zu shooten. Mich fasziniert einfach der Prozess – die Entschleunigung bei der Entstehung der Bilder. Man fotografiert nicht mehr wahllos, nimmt sich mehr Zeit, denkt nach, macht sich einen Plan. Dann müssen die Bilder entwickelt, digitalisiert und aufbereitet werden – je nach Anwendung.
Bisher war es bei mir so, das ich den Film verschossen habe, ihn in ein Fotogeschäft oder Fachlabor in München gebracht habe, 2-5 Tage warten musste, 6-8 Euro ärmer war und dann die Negative selbst mit Kamera, selbstgebauter Durchlichtplatte und Makroobjektiv digitalisiert habe (einen Artikel darüber findet ihr hier). Die Ergebnisse waren super – dieser Entstehungsprozess ist für mich irgendwie was besonderes.
Dann bin ich vorletzte Woche auf ein Video auf YouTube gestoßen. Ein Professor der Fotografie erklärt in einem sehr anschaulich gestalteten Video, wie man unterschiedliche Filme kreativer entwickeln kann, als die Standardvariante. Ich rede hier vom Push- und Pull-Verfahren oder der Möglichkeit, Film, welcher beispielsweise eine ISO Empfindlichkeit von 400 hat, in der Kamera unter- oder überzubelichten und das bei der Entwicklung wieder auszugleichen um ein Bild zu erhalten welches korrekt belichtet ist.
Dadurch bekommen die Bilder einen ganz eigenen Charakter – wie schon damals zu Zeiten von Ansel Adams oder Henri Cartier-Bresson, die ihren eigenen Look sowohl durch die Bildgestaltung als auch durch die Art der Entwicklung signifikant definierten. Ihr findet das Video weiter unten. Schaut euch ruhig auch auf dem Kanal um – es gibt wirklich hervorragende Videos rund ums Thema analoge Fotografie.
Auf jeden Fall war dieses Video der Auslöser für den Wunsch, in Zukunft nicht nur Geld und Fahrzeit zu sparen, sondern eventuell auch einen ganz eigenen Look für meine analogen Arbeiten zu erschaffen indem ich jeden Schritt des Entstehungsprozesses selbst kontrolliere und meine Filme selbst entwickle.
Also habe ich eben mal auf YouTube nach “Filme selbst entwickeln” geschaut und mich belehren lassen. Danach habe ich dann Fakten gesammelt über Equipment und Chemikalien und Entsorgung derselbigen, was beachtet werden muss, was für Optionen es gibt, was der einfachste und schnellste Weg der Entwicklung ist, was der günstigste, wie man effizient und platzsparend arbeitet, wo man die Chemie bekommt und so weiter.
Hier sind mal die aktuellen Infos für euch zusammengefasst.
ACHTUNG
DAS LADEN DES FILMS IN DIE ENTWICKLUNGSDOSE MUSS IN ABSOLUTER DUNKELHEIT GESCHEHEN.
DIE NACHFOLGENDEN SCHRITTE KÖNNEN BEI TAGESLICHT AUSGEFÜHRT WERDEN, DA DIE ENTWICKLUNGSDOSE DEN EINFALL VON LICHT VERHINDERT.
Humberto & Umberto
1. ENTWICKELN
Der Entwickler ist alkalisch und sorgt für die Entwicklung des Films wie es der Name schon sagt. Die nicht belichteten Bereiche im Bild werden soweit ich das verstanden habe, gelöst und zurück bleibt das Negativ.
2. STOPPBAD
Das Stoppbad stoppt diesen Prozess – es ist säurehaltig und verhindert das mehr als gewünscht vom Film gelöst wird. Hier kann auch Haushaltsessig im richtigen Mischungsverhältnis verwendet werden.
3. FIXIEREN
Der Fixierer macht den Film haltbar und dauerhaft unempfindlich für Licht. Dies verhindert auch, dass er mit der Zeit verblasst.
4. WASCHEN
Die Waschung entfernt am Ende alle Chemikalien vom Film – hier wird noch ein sogenanntes Netzmittel beigefügt – eine Art Spülmittel, um die Bildung von Wasserflecken zu vermeiden und schnelleres Abtrocknen des Films zu ermöglichen.
5. TROCKNEN
Getrocknet wird der Film an einer Leine und mit Holzwäscheklammern fixiert (oben und unten). Dadurch “hängt” er sich auch aus und tendiert nicht mehr so sehr dazu, sich aufzurollen.
WAS IHR BRAUCHT
Entwicklungsdose
Messbecher 1-2l
Spritze mit Schlauch zum Dosieren
Glasflaschen für angesetzte Chemie (am besten 2-3)
Thermometer
Filmabzieher (hier sind die Meinungen geteilt)
Wäscheklammern
Destilliertes Wasser (Zimmertemperatur)
Wasser (Zimmertemperatur)
Box für Equipment
Entwicklerdosen kann man relativ günstig bei Amazon oder Ebay kaufen – sie liegen bei 35-50 Euro je nach Modell und Marke. Diese gibt es für 2 x 35mm oder 120mm Film oder doppelt so hoch falls man mehrere Filme entwickeln möchte.
Ein Entwickler der mehrfach empfohlen wurde, ist Rodinal von Agfa, der zwar nicht mehr hergestellt wird weil es Agfa nicht mehr gibt, aber mittlerweile von anderen Firmen nach Originalrezept produziert wird. Meine Wahl fiel auf Adox Adonal. Diesen bekommt man auch bei Amazon und er liegt bei ca. 18 Euro für den halben Liter Konzentrat. Der Fixierer liegt bei ca. 14 Euro. Hier habe ich mich für den Adox Adofix entschieden. Als Netzmittel für den Filme nutze ich Amaloco H10.
Das selbst geschnürte Startpaket das ich mir zulegen will, kostet alles in allem so an die 150 Euro. Man kann an dem ein oder anderen Punkt noch sparen wenn man z.B. Messbecher und Flaschen oder Thermometer bereits besitzt.
Dose und Chemie braucht ihr dennoch – aber wenn ihr mal die Kosten für Filmentwicklung hochrechnet, hat sich das Ganze nach ca. 15-20 Filmen gelohnt. Zudem glaube ich, das man nochmal einen ganz anderen Bezug zu seinen Bildern bekommt, wenn man alles selber macht und außerdem macht handwerkliches Lernen und Experimentieren, Spaß (mir zumindest).
Der nächste Punkt auf meiner ToDo-Liste war die Auseinandersetzung mit den geplanten Entwicklungen (Push oder Pull), meiner Chemie und den Filmen die ich verwenden werde. Ich habe bereits an die 8-10 Filme (35mm und Mittelformat) rumliegen. Die Chemie ist mittlerweile auch angekommen – also geht es an das lästige Durchforsten von Tabellen. Welcher Film muss wie lange mit meinem Entwickler reagieren, um das gewünschte Ergebnis zu bekommen? Was wenn ich den Film “pushe” oder “pulle”? Was wenn ich in Zukunft andere Filme verwende? Hier braucht man Ausdauer und Selbstorganisation. Zur Vereinfachung habe ich mir eine Übersicht gemacht mit allen für mich und meine Entwicklung relevanten Daten. Dort ist schematisch nochmal gezeigt, was “Push” oder “Pull” bedeutet (im Moment tu ich mir noch etwas schwer mit dem Verständnis ohne visuelle Hilfsmittel – ähnlich wie bei der Thematik große Blendennummer, kleine Blendenöffnung). Zudem habe ich mir eine Grafik erstellt, die schnell erkennen lässt, was “pushen” oder “pullen” im Endergebnis bewirkt. Vielleicht hilft euch diese Folie auch ein wenig – oder aber ich bin einfach zu nerdig.
Auf der Rückseite habe ich mir eine Tabelle erstellt mit dem Filmnamen, der eingestellten ISO um die passende Entwicklung zu wählen, der Entwicklungszeit die ich verwendet habe und Bemerkungen zum Ergebnis. Das sollte dabei helfen, später konkrete Aussagen über Erfolg oder Misserfolg zu treffen. Auf alle Fälle sind die meisten Vorbereitungen jetzt getroffen – nun geht es bald ans Shooten.
Mehrdad von qimago.de stellt mir freundlicherweise seine Rolleiflex zur Verfügung, die bereits vor einigen Tagen eingetroffen ist. Die Bedingung war nur, dass ich einen Bericht über meine Erfahrungen mit der Kamera verfasse und einen Farbfilm (Portra) für ihn verschieße und ihm den Film zur Entwicklung und Digitalisierung zukommen lasse – was ich natürlich sehr gerne tue.
Sobald das Teil da ist, geht dann die Testphase los. Neben dem Farbfilm für Mehrdad, werde ich hauptsächlich mit Ilford HP5+ und Kodak Tri-X 400 herumexperimentieren und erste Erfahrungen sammeln, da mir die Filme bisher von den Ergebnissen die ich online gesehen habe, am besten gefallen haben. Falls ihr soweit Fragen habt, hinterlasst mir gerne unten einen Kommentar und ich werd versuchen alle Fragen zu beantworten. Bis dahin erstmal vielen Dank fürs Dabeibleiben und euch einen guten Rutsch ins Neue Jahr – wir lesen uns dann in 2017!